Ihr Lieben,
ich hatte ihn gewarnt, bereits bei einem unserer allerersten Gespräche. Ich sagte: „Es geschieht sehr oft, dass aus so etwas eine Freunschaft entsteht.“
Was daraus erwachsen ist, konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht einmal ahnen. Es war eine große Herausforderung an mich, einen Menschen durch eine der tiefgreifendsten Lebenskrisen zu begleiten. Er hatte sich mich ausgesucht, um ihm zu helfen, und das tat ich dann auch ohne Nachzudenken. Ich habe alles, was ich an Wissen, an Intuition und Führung von meinem himmlischen Team, an Lebenserfahrung und an Menschenliebe hatte, hineingegeben. Ich nahm mir täglich Zeit, so lange es dauerte. Gespräche, immer wieder ermuntern, immer wieder Hinweise zu geben darauf, was ich fühle, was ich „sehe“, war wie eine Strickleiter über einen Abgrund, der von Nebel verhangen ist. Man weiß ja, dass die Leiter auf der anderen Seite an einem Felsen fest verankert ist, aber man sieht es nicht. Und so hangelt man sich Schritt für Schritt tastenderweise voran. Ein Fuss vor den anderen, manchmal auch wieder einen zurück, weil die Angst zu groß ist.
Aber wir sind gemeinsam weiter gegangen. Und mir wurde die Verantwortung bewusst, die ich übernehme, indem ich diesen Menschen, der mir bedingungslos vertraute, anleite.
Dann die überraschende persönliche Begegnung wenn man sich plötzlich gegenüber steht und zu der Stimme noch die Gesichtszüge, die Gestalt, die Bewegungen, die Augen und Hände kommen, die das Bild vervollständigen, das man vorher nur bruchstückhaft voneinander hat. Da war Vertrautheit, Verständnis und zu wissen, ja, es ist alles richtig.
Er überreichte mir eine Blume, eine Orchidee, die jetzt all ihre zuvor geschlossenen Blüten geöffnet hat. Sie ist das Sinnbild sowohl seiner eigenen, fruchtbaren und wahrhaft tiefgreifenden Wandlung, aber auch der Freundschaft, die, wie ich es schon zu Beginn gefühlt habe, entstanden ist.
Die wunderschönen Blumen in tiefem Rosa erinnern an Schmetterlinge als Zeichen der Transformation, der Verwandlung. Heute konnte ich mich nicht zurückhalten und roch daran. Sehr zu meiner Überraschung roch ich …. gar nichts!!!
Ich gebe zu, ich bin kein großer Pflanzenkenner und dies ist meine erste Orchidee. Doch ich fragte mich unwillkürlich, wie denn so eine prachtvolle Blume einfach nicht duften kann?! Was ist das denn für eine Idee der Natur? Kann sie allein mit der Schönheit ihrer Blüten die Insekten anlocken, die doch sonst durch den ausströmenden Blütenduft magisch angezogen werden?
Offensichtlich ist es der einzige Daseinszweck dieser exotischen Pflanze, einfach nur schön zu sein, einfach nur ihre anmutigen, zarten Blüten der Sonne entgegen zu strecken. Damit tut sie genug, damit ist schon alles vollbracht. Mehr braucht es nicht.
Wie einfach sie es hat! Wie leicht ihr Leben ist! Einfach nur da zu sein und zu blühen.
Wir Menschen könnten doch auch wie sie einfach nur unsere Liebe, unsere innere Schönheit leuchten lassen, damit alles zu uns kommt, was wir brauchen. All die glücklichen Umstände, die Menschen, die Fügungen. Doch was tun wir? Wir machen es uns statt dessen selbst schwer. Wir glauben, dass dieses innere Leuchten nicht genug ist, wir wollen uns immer noch größer, schöner, besser machen, damit wir auch das Größte, Schönste und Beste verdienen. Doch innerlich glauben wir in Wahrheit oft selbst nicht daran, dass wir ein funkelndes Licht sind, das ganz von allein strahlt.
Wir müssen nicht duften und locken, wir müssen uns gar nicht so sehr anstrengen, jemand zu sein, der wir gar nicht sind. Im Gegenteil: wenn wir dafür, wie wir tatsächlich sind, geliebt werden wollen, brauchen wir auch nur ganz genau das von uns zu zeigen, so zu sein, wie wir auch wahrhaftig sind, ohne Masken und ohne uns zu verstecken.
Die Orchidee denkt auch nicht darüber nach, ob sie wohl genügend Insekten anzieht, damit sie weiter blühen kann. Sie denkt nicht darüber nach, ob sie genügend Wasser bekommt und öffnet dann lieber nur fünf statt zehn Blüten, aus Sicherheitsgründen. Nein, sie ist einfach vollkommen in ihrer Schönheit, die gibt alles hin, sie zeigt und offenbart sich genau so, wie sie ist.
Auch mein Freund, der mir schon so sehr ans Herz gewachsen ist, hat mich heute wieder daran erinnert. Auch ich gebe manchmal nicht alles von mir, weil ich glaube, dass es nicht gewünscht ist, dass es zu viel sein könnte. Aber das tut dem Herz und seinem Leuchten nicht gut. Wir müssen unsere Liebe verströmen, wir müssen sie fliessen lassen, weil das genau wie bei der Orchidee einfach natürlich ist. Wir können gar nicht zu viel lieben. Zu viel Liebe tut nie etwas Falsches, nur zu wenig.
Eure Ashanar